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Im Spiegelbild ein Kakadu

Im Spiegelbild ein Kakadu von Hans Seiwerth

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Kategorie: Hörbuch
Seiten / Format: CD; CD
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Edition Musik Südost
Sprache: Deutsch
ISBN: 0046382341645

Neue CD des Liedermachers Hans Seiwerth

„Ich komme schon durch manche Land avec que me marmotte", so lässt Goethe sein Savoyer Flüchtlingskind in einem deutsch-französischen Sprachmischmasch singen. Das „Krätzenkind" mit seinem dressierten Murmeltier (Marmotte) singt in Goethes Schauspiel bettelnd zur Leier, und zwar nach einer Melodie von Beethoven. Hat sich Hans Seiwerth als modernes Ebenbild verstanden, ebenfalls als ein aus dem Heimatland Vertriebener und nun reisender Sänger, wenn er dieses Lied zitierend aufgreift und mottohaft an den Anfang seiner neuen CD stellt? Auch er wird mit seinen Liedern „durch manches Land" reisen, allerdings wird aus Goethes „Marmotte" (Murmeltier) bei ihm „Marotte". Ein feiner Kunstgriff, denn mit seinen Liedern führt uns der Liedermacher durch die gedanklichen Marotten und Narreteien von 40 Jahren seines Lebens als Liedermacher.

Seiwerths CD – es ist die zweite nach einer frühen Schallplatte – umfasst 14 meist eigene Lieder, wie auch einige Bearbeitungen fremder Autoren (wie die oben zitierten „Marotten"). Entstanden ist die CD in Zeiten von „homeoffice" als „home recording", ein schöner Nebeneffekt der Corona-Quarantäne, die den virusbefallenen Sänger an die eigenen vier Wände fesselte und dabei Vergrabenes aus vier Jahrzehnten wieder hervorholte und auch Neues produzierte.

Angefangen hat alles in den frühen 70er Jahren, als der begabte Brukenthalschüler sich an den Liedern von Reinhard Mey begeisterte und diese mit seiner Gitarre nachspielte. Bald aber entstanden auch eigene Lieder. Der junge Gymnasiast und dann Student der Geschichte, war bald mit eigenen Auftritten zu erleben, die ihn schnell auch in die deutsche Sendung des rumänischen Staatsfernsehens führte. Und seine Popularität stieg weiter, als er sich 1974 mit gleichgesinnten Kommilitonen – Karl Heinz Fisi (Piringer), Kurt Wagner und Michael Gewölb – zum „Cibinium Quartett" zusammenschloss, dem Vorläufer der heute weithin bekannten „Lidertrun", deren erfrischende Auftritte wohl jedem Siebenbürger Sachsen ein Begriff sind. Aber auch solistische Auftritte blieben für Seiwerth weiterhin eine Herzenssache.

Die ersten Nummern der CD entstammen dieser frühen Hermannstädter Phase. So seine „Spiegelbilder", in denen er sich selbst kritisch bespiegelt, was zum Titel der CD „Im Spiegelbild ein Kakadu" führte. Wenn er zu seinem gekonnten Gitarrespiel noch unbekümmert Mundharmonika spielt oder pfeift, dabei aber von „Schatten" und „Enge" singt (Spätsommerliche Schatten), fragt man sich unwillkürlich, ob da nur ein Spätsommerszenarium besungen wird oder ob da auch Botschaften verborgen sind, die man damals nicht so offen auszusprechen wagte. Unzensiert konnte man hingegen damals, auf Anregung des Bukarester Fernsehens, Kästners „Oktober" (aus den „dreizehn Monaten") vertonen. Die nostalgische Herbststimmung des Liedes findet sich auch in Walther Seidners „Kleine Elegie/September" wieder. Gelegentlich zieht Seiwerth als zusätzliches Klangregister auch die Stimme seiner Frau Angela hinzu, wenn er beispielsweise ein „sterbensheiteres" Tänzchen einschiebt (Oktober), eine Duettpartnerin (September) oder eine Kinderstimme (Hänschen klein) benötigt. Und gerne greift er auch auf Liedgut fremder Autoren in eigener Bearbeitung zurück. So etwa auf Grete Lienerts „Det Brännchen/ das Brünnlein", oder auf ein Lieblings-Spaßlied seiner Eltern (Die Zeiten ändern sich, Text: E. Thullner).

Mit dem Lied „Vom Wandel der Dinge oder Corona in mutatio rerum" macht Seiwerth dann einen Sprung nach Deutschland und in die Jetztzeit, wo ihn eine zweite Schaffensperiode „befiel". Hier wird die „alte Burschenherrlichkeit" im Rückblick auf vergangene Zeiten kritisch und historisch ausschweifend unter die Lupe genommen. Seiwerth, mittlerweile pensionierter Geschichtslehrer, ist nachdenklich geworden. Der einstige Wuschelkopf hat zwar an Haaren verloren, aber an Einsicht hinzugewonnen. Nun sinniert er über das „Hin und Her"... „von Ost und West" (Heimatlied) und jongliert gekonnt mit den Wortspielen: Sieben-Burgen, Sieben-Birken, Sieben-Brücken, um den Begriff der Heimat einzufangen. Es ist nicht die große Weltpolitik, die ihn umtreibt. Ihn bewegen Gedanken an die (verlorene) Heimat. Das kann auch mit fremd-vertrautem Zungenschlag geschehen, wenn er beispielsweise typisch rumänischen Wehmutsschmerz (Dorule! Das Glück war niemals mein!) einfängt. Mit klagenden Geigenklängen steuert hier Michael Gewölb, der Freund aus Jugendjahren, den Hintergrund-Klangzauber rumänischer Musik bei.

Selbst zwei siebenbürgische Kinderlieder, gesungen im Stolzenburgischen Heimtatdialekt des Liedermachers, werden zu Metaphern geschichtlichen Geschehens. Die „Siwwe Kräüden" (Sieben Kröten), gesungen nach der Melodie des „Meister Jakob", die bekanntlich nicht durch den Zaun schlüpfen können, stehen offenbar bildhaft für 7-Bürger, denen es auch nicht gelingt durch einen Sperrzaun, sprich „Eiserner Vorhang", zu schlüpfen, auch wenn der Blick über den Gartenzaun noch so verlockend scheint.

Ein weiteres schlichtes Mundart-Kinderlied (Der Kuckuck, der Zaiku ...) wird gar zum Geschichtsunterricht. Der Kuckuck (Seiwerth), der aus dem Land der Kirchenburgen in die Südsee migriert, trifft da auf einen Kakadu, der dem Lamento des Migranten geduldig zuhört und sich alles über eine vielhundertjährige Geschichte im Karpatenbogen wortreich erzählen lässt. So wird der Kakadu zum Gegenpart des Kuckucks und findet Eingang in den Titel der CD (Im Spiegelbild ein Kakadu), als dem Sänger aufmerksam lauschendes Publikum. Das Ka-Ka des Ka-Ka-dus gibt Seiweth Anlass zu Lautspielereien mit dem k. u. k. einer verflossenen monarchischen Zeit Siebenbürgens. Mit „Hänschens Welterkundung" serviert Seiwerth schließlich seinen Superhit, der in 40-jähriger Beschäftigung mit diesem Lied immer weiter gewachsen ist. Das berühmte „Hänschen klein" wird von Seiwerth „in die Welt hinein" geschickt. Das bietet dem wandlungsfähigen Sänger nun die Möglichkeit, sein ganzes theatralisches Vermögen als Imitator von Sprachen und national gefärbten ­Musikidiomen einzubringen, wenn Hänschen durch die Lande wandert. Die Reise beginnt natürlich bei den benachbarten Rumänen und Zigeunern, führt dann als Jancsi durch Ungarn, Georgien, die Türkei, Griechenland; als Piccolo Giovanni durch Italien, als Petit Jean durch Frankreich und als Juanchen durch Spanien, und von dort als Wanja nach Russland, um schließlich über Alaska bzw. New-Orleans (Armstrong) und Afrika gar in China zu landen, wo Hänschen zur Einsicht gelangt, dass es doch zu Hause am schönsten ist.

So schließt die CD mit einer einfühlsamen Eigenfassung des Kirchner-Liedes „Af deser Ierd" und man lauscht gerne noch einmal der einfühlsam-warmen Stimme Seiwerths.

Die CD enthält ein umfangreiches Booklet mit sämtlichen Liedtexten zum aufmerksamen Mitverfolgen, das leider in der Abfolge der Lieder Abweichungen verzeichnet und auch mitunter von dem gesungenen Text abweicht.

Prof. Heinz Acker