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Roman

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Kategorie: Bücher
Seiten / Format: 448 S
Erscheinungsjahr: 2008
Verlag: Klett-Cotta
Sprache: Deutsch
ISBN: 9783608937695
Auflage / Bände: 1. Aufl. 2008

»Man schlägt das Buch zu, das er geschrieben hat, und die Welt ist eine andere geworden.«<br>Gert Scobel (3sat, scobel, 12.6.08)<br><br>Hollis Henry wird angeheuert, für ein rätselhaftes Magazin zu schreiben. Schnell merkt sie, dass sie nicht auf eine neue Cyber-Kunstform angesetzt wurde, sondern auf einen Frachtcontainer voller Dollarnoten. Doch wofür ist das Geld? Ein Exil-Kubaner, der einen merkwürdigen Geheimcode beherrscht, und ein philosophierender Junkie kreuzen ihre Wege ...

<br><br>Februar 2006<br><br>1. WEISSES LEGO<br><br>»Rausch«, sagte jemand im Handy von Hollis Henry. »Node«, sagte er.<br>Hollis machte die Nachttischlampe an. Das Licht fiel auf die am Vorabend geleerte Dose Asahi Draft aus dem Pink Dot und auf ihr mit Stickern zugepflastertes PowerBook, das zugeklappt schlummerte. Sie beneidete es.<br>»Hallo, Philip.«<br>Node war derzeit ihr Arbeitgeber, wenn man das bei ihr so nennen konnte, und Philip Rausch der für sie zuständige Redakteur. Nach dem letzten Gespräch mit ihm war Hollis gleich hierher nach L.A. geflogen, was aber mehr mit ihrer schlechten finanziellen Lage zu tun hatte als mit Rauschs Überzeugungskraft, und hatte sich im Mondrian einquartiert. In der Art und Weise, wie Rausch den Magazinnamen aussprach, schwang etwas mit, dessen sie bald überdrüssig sein würde.<br>Sie hörte vom Badezimmer her, wie der Roboter von Odile Richard sanft irgendwo anstieß.<br>»Bei Ihnen ist es jetzt drei«, sagte er. »Habe ich Sie geweckt?«<br>»Nein«, log sie.<br>Odiles Roboter war aus Lego. Weiße Legosteine, darunter eine ungerade Anzahl weißer Räder mit schwarzen Reifen. Auf der Rückseite waren Dinger angeschraubt, die wie Solarzellen aussahen. Sie hörte, wie er sich geduldig, aber doch ohne System über den Teppich ihres Zimmers bewegte. Gab es Packungen mit ausschließlich weißenLegosteinen zu kaufen? Es passte hierher, wo so vieles weiß war. Hübscher Kontrast zu den ägäisblauen Tischbeinen.<br>»Sie wollen Ihnen sein bestes Werk zeigen«, sagte Rausch.<br>»Wann?«<br>»Jetzt. Sie erwarten Sie vor Odiles Hotel. Dem Standard.«<br>Hollis kannte das Standard. Es war mit königsblauem Astroturf-Kunstrasen ausgelegt und im ganzen Gebäude war ihrem Gefühl nach nichts und niemand älter als sie selbst. Hinter der Rezeption gab es so etwas wie ein Riesenterrarium, in dem sich manchmal ethnisch undefinierbare Bikini-Girls räkelten, als ob sie sich sonnten, oder großeBildbände betrachteten.<br>»Haben Sie sich um die Hotelrechnung gekümmert, Philip? Beim Einchecken war sie noch auf meine Karte gebucht.«<br>»Es ist alles erledigt.«<br>Sie glaubte ihm nicht.»Haben wir für diese Story schon eine Deadline?«<br>»Nein.« Rausch seufzte genervt, irgendwo in einem London, das sie sich jetzt nicht vorstellen konnte und wollte.<br>»Der Launch ist verschoben worden. Auf August.«<br>Hollis hatte noch niemanden vom Node kennen gelernt, auch niemanden, der für das Magazin schrieb. Es sollte wohl eine europäische Version von Wired sein, auch wenn sie das nie so sagten. Geld aus Belgien, via Dublin, Büros in London - oder, wenn keine Büros, dann zumindest dieser Philip. Der wie siebzehn klang. Siebzehn, und den Sinn für Humor hatte man ihm wohl rausoperiert.<br>»Eine Menge Zeit also«, meinte sie. Sie wusste nicht genau, was sie damit sagen wollte, hatte aber irgendwie ihr Bankkonto im Hinterkopf.<br>»Odile wartet.«<br>»Okay.« Hollis schloss die Augen und klappte ihr Handy zu.<br>Konnte man in diesem Hotel wohnen und trotzdem als obdachlos gelten? Anscheinend ja.<br>Sie lag unter dem weißen Laken und lauschte auf den Roboter der Französin, wie er irgendwo anstieß, klackte, zurücksetzte. Er war wahrscheinlich wie einer dieser japanischen Staubsauger darauf programmiert, so lange irgendwo anzustoßen, bis die Arbeit erledigt war. Odile hatte gesagt, er sammle Daten mit Hilfe eines eingebauten GPSModuls - es schien ganz so.<br>Als sie sich aufsetzte, rutschte ihr das feine Laken auf die Oberschenkel hinab. Draußen änderte der Wind den Angriffswinkel auf ihre Fenster, die gespenstisch klapperten. Jede sehr ausgeprägte Wetterlage hier verunsicherte sie. Die Zeitungen morgen würden darüber wie über ein leichtes Erdbeben berichten. Fünfzehn Minuten Regen und die tiefergelegenen Bereiche im Zentrum vonBeverly Hills standen unter Wasser. Hausgroße Felsbroc<p>Schillernde Figuren und eine spannungsgeladene Handlung verbindet William Gibson in seinem neunten Roman zu einer Innenschau unserer paranoiden, postmodernen Welt.Überall lauern im Quellcode unserer Gesellschaft Gefahren, die nicht mehr lokalisiert werden können. Die eigentlich Mächtigen bleiben virtuell.<br><br>Ein Gefühl der Bedrohung liegt über allem. Dem Großmeister der Science-Fiction ist eine faszinierende Diagnose unserer Gegenwart gelungen, indem er die Voraussetzungen für den globalen Terror spürbar macht.

1DEWilliam Gibson, geboren 1948 in South Carolina, wanderte mit 19 Jahren nach Kanada aus, um der Einziehung zum Vietnamkrieg zu entgehen. 1972 ließ er sich in Vancouver nieder, wo er noch heute mit seiner Familie lebt. Bekannt wurde er mit seinem 1984 erschienenen und vielfach preisgekrönten Roman Neuromancer, in dem er erstmals den Begriff »Cyberspace« prägte. 2019 wurde ihm der Damon Knight Memorial Grand Master Award für sein Lebenswerk verliehen.