Lebenswege in Siebenbürgen von Christoph Klein - Festreden und Nachrufe
26. Februar 2021
Im Oktober 2010 ist Christoph Klein im Alter von 73 Jahren als Bischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Siebenbürgen/Rumänien in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet worden. Auch im Ruhestand ist er noch tätig. Dafür spricht dieser neue Band des in gepflegter deutscher Sprache sich äußernden Seelsorgers. 1990, kurz nach der politischen Wende in Osteuropa war er in sein Bischofsamt eingeführt worden. Damals hatte ihm ein Reporter aus Deutschland die Frage gestellt: „Was glauben Sie, wie lange werden Sie dieses Amt ausüben?" Er kommentiert diese Frage und berichtet: „Der Reporter dachte, angesichts des massiven Exodus der Deutschen aus Rumänien und auch unserer Glaubensgenossen, an eine sehr kurze Zeit, vielleicht ein Jahr oder zwei bis drei Jahre. Ich antwortete spontan: »Ich glaube, ich werde einen Nachfolger haben.« – Nun, nach zwei Jahrzehnten, nicht zwei Jahren, wird sich erfüllen, was ich damals geglaubt habe, wenn in Kürze ein Nachfolger in dieses Amt gewählt werden wird." (S. 193). Diese Kirche ist geschrumpft. Klein war Bischof einer Kirche, „die sich tiefgreifend verändert hat, tiefgreifend verändert wurde". Sie ist zu einer »Minoritätenvolkskirche« geworden, wie er das einmal genannt hat. (Konrad Gündisch im Geleitwort, S. 8/9). Klein hat viel Anerkennung gefunden, ihm wurde der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis verliehen, „die höchste von Siebenbürger Sachsen zu vergebende Ehrung für wissenschaftliche und künstlerische Leistungen" (S. 7). In seiner Dankesrede bei der Verleihung des Kulturpreises in Dinkelsbühl (2019) führte er aus: „Die große Herausforderung, mit der wir uns in Siebenbürgen im wörtlichen und übertragenen Sinn beim »Werk unserer Hände« zu beschäftigen haben, ist das Ringen um eine »offene Kirche«, die dennoch weiter Heimat und Beheimatung bietet. Es ist das Ringen um eine Identität, die das Alte und das Neue ver-söhnend verbindet. Wörtlich ist damit die Aufgabe der Erhaltung und Rettung unserer Kirchen und Kirchenburgen gemeint. Und im übertragenen Sinn: das Ringen um einen Lebensraum, in dem diese Neufindung unserer Identität durch Öffnung möglich wird und Neugestaltung unseres Zusammenlebens gelingt, untereinander und über die Mauern hinaus. – Diese Öffnung bedeutet auch Durchbrechen von Mauern, die zwischen uns Menschen aufgebaut werden. Die Ereignisse nach dem Zweiten Weltkrieg haben Landsleute hier im Westen und dort in der Heimat getrennt und manchmal auch entfremdet. Brücken zu schlagen, Versöhnung einzuleiten und schließlich das Getrennte zusammenzuführen, war in der Zeit meiner Amtsführung als Bischof eine der größten Herausforderungen für unsere ganze Gemeinschaft. Wenn wir heute zurückblicken, was in dieser Hinsicht gelungen und möglich geworden ist, müssen wir in der Tat Gott, der es uns geschenkt hat, dafür danken »mit Herzen, Mund und Händen«." (S. 191). Über seinen Lebenslauf und seine Publika-tionen informiert der Schluss dieses Bandes. Dort wird auch ein Pressegespräch aus der Zeitung abgedruckt und die erwähnte Abschiedspredigt (S. 175–198). Es ist also kaum verwunderlich, dass dieser seelsorgerlich sorgfältig das Leben seiner Zeitgenossen – 20 unterschiedliche Persönlichkeiten in je eigener Weise – in den Blick nehmende tätige Ruheständler immer wieder um eine Festrede oder – bei Todesfällen – um einen Nachruf gebeten wurde. Seine Worte haben festlichen und traurigen Anlässen in seinem Land Glanz und Tiefe gegeben. In Hermannstadt ist er geboren und aufgewachsen. Hier war er als Stadtpfarrer, als Theologieprofessor und Bischofsvikar tätig gewesen, bevor er in das Leitungsamt gewählt wurde. Er kennt viele Menschen sehr persönlich. 2019, beim 30. Jahrestag der ehrenamtlichen Mitarbeit einer kirchlich sehr aktiven Frau, Ilse Philippi, bringt er ei-nen Strukturwandel zum Ausdruck: „Ein Rückblick auf die verstrichene Zeit erinnert daran, dass die nunmehr fast 30 Jahre zurückliegende politische Wende in Rumänien zur massiven Auswanderung so vieler unserer Glaubensgenossen geführt hat, so dass verständlich war, dass man die besorgte Frage stellte, was in dieser Situation zu tun sei. Es hat sich gezeigt, dass es richtig war, hierauf dem Ehrenamt eine ganz neue Bedeutung und Wichtigkeit zuzuweisen. Männer und Frauen der ersten Stunde sind in die Bresche gesprungen und haben sich mit Herzblut den dringlichsten Projekten gewidmet, die als Gebot der Stunde in unserer Kirche ausgemacht worden sind." (S. 82) Diesem Band kann man entnehmen, dass die in Siebenbürgen verbliebenen Deutschen trotz ihrer kleinen Anzahl – runde 13 000 Personen sind es noch im Land – in aller Bescheidenheit dennoch ein neues Selbstbewusstsein entwickelt haben und ihre Plätze eingenommen haben. Insofern ist der hier zu besprechende Band auch als Lektüre geeignet für Menschen, denen die Namen der hier behandel-ten Personen nicht in jedem Fall etwas sagen, die sich aber mit dem Thema „Minoritäten-volkskirche" an diesem Beispiel, das sich in deutscher Sprache mitteilt, befassen wollen. Wer einzelne Namen kennt, bekommt hier eine Gesamtschau dieser Personen. Von Interesse für ökumenische Fragestellungen ist die Würdigung des orthodoxen Theologen Dorin Oancea, der von Christoph Klein in seiner Eigenschaft als Professor für Systematische Theologie am evangelisch-theologischen Institut in Hermannstadt zum Doktor der Theologie promoviert worden ist (S. 89–104). Einblick in die Arbeit dieses eben genannten Instituts gewährt die Würdigung eines wissenschaftlich-theologischen Lehrers, Hans Scheerer, der für wichtige Vertreter der Kirche theologisch prägend geworden ist (S. 105–115). Christoph Klein, dem Theologen und Bischof steht großes Wissen und viele Früchte seiner Studien in deutscher Literatur und theologischer Fachliteratur zu Gebote, wenn er einzelne Menschen darstellen und treffend beschreiben will. Immer hat er auch die geistliche Dimension im Blick, nie aufdringlich oder plump, aber in tiefer Konzentration auf sein Gegenüber. In seiner gepflegten Sprache hat man eine anregende Lektüre vor sich. Im vorliegenden Band wird auch deutlich, dass er von Vater und Mutter gute Voraussetzungen mit auf seinen Weg gegeben bekam. Beiden widmet er sich mit je einer Abhandlung. So beschreibt er, wie seine Eltern in schwerer Zeit durchgehalten und sich bewährt haben, was dann auch in seiner Wirksamkeit klare Prägung, Integrität und Dankbarkeit zeitigen und bedeuten sollte. Das Buch, das wir hier vorstellen, wird unter den Siebenbürger Sachsen und denen, die diesem Volk Freunde geworden sind, seine Leser haben. Für sie wird es möglicherweise auch Erinnerungen auffrischen. Es ist aber über diesen Kreis hinaus von Bedeutung für jene anderen Leser, die es für wichtig halten, über die Inkulturation des christlichen Glaubens unter schwierigen Lebensbedingungen und politischen Verhältnissen nachzudenken. Hier kann man Lebenswege in Gedanken nachgehen, die prall gefüllt sind von lebendiger Erfahrung.
Rudolf Keller
Klein, Christoph: Lebenswege in Siebenbürgen. Festreden und Nachrufe. – Bonn – Hermannstadt / Sibiu: Schiller Verlag, 2020. – 198 S., geb. – Festeinband. – ISBN 978-3-9446954-71-2.
aus: BKG 89 (2020) 2. Außerbayerische Territorialkirchengeschichte (Nr. 2202–2206)