Kritisch und pointiert
30. Juli 2010
Annemarie Weber stellte ihr neuestes Buch vor
Annemarie Weber, Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim, stellte am Freitagabend ihr neuestes Buch „Rumäniendeutsche? : Diskurse zur Gruppenidentität einer Minderheit (1944 - 1971)" im Erasmus-Büchercafé in Hermannstadt vor.
Anhand der deutschsprachigen Presse - die Autorin analysierte in ihrem Buch hauptsächlich das Archiv des „Neuen Weg" - untersuchte Weber vor allem die „deutschen" Identitätskonstruktionen in Rumänien zwischen 1944 und 1971. Im Anschluss zu der Buchvorstellung fand eine spannende Diskussion statt. Das im Böhlau-Verlag in der Reihe Studia Transylvanica erschienene Buch kostet 185 Lei und kann im Erasmus-Büchercafé bestellt werden.
Weber erforschte die Entwicklung des kollektiven Selbstbildes der Deutschen in Rumänien während der Nachkriegsjahrzehnte vom siebenbürgisch-sächsischen und banatschwäbischen „Volk" zu den ideologisch postulierten „deutschen Werktätigen" und schließlich zum Identitätsmuster der „Rumäniendeutschen". Dabei räumt die Autorin mit Vorurteilen und ungenauen Zuschreibungen, die sich in der Geschichts- und Literaturgeschichtsschreibung hartnäckig gehalten haben.
In ihrem Buch verbindet sie eigene Erfahrungen aus ihrer langjährigen Tätigkeit in den deutschsprachigen Medien Rumäniens mit kritischer Textanalyse und einer pointierten Schreibweise.
Weber stellt u. a. fest: Die Deutschen Rumäniens werden aus der Perspektive der Bundesrepublik Deutschland gern als „deutschstämmige" bzw. deutschsprachige rumänische Staatsbürger oder gar als „Deutsch-Rumänen" bezeichnet, während sie in Rumänien unangefochten als germani gelten und in einem staatlich anerkannten „Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien" (DFDR) politisch organisiert sind. In Rumänien ist „deutsch" ein ethnisches und Kulturmerkmal geblieben, das die Staatenbildung der Nachkriegszeit und die damit verbundene politische Fixierung des Merkmals „deutsch" auf eine bestimmte Staatsangehörigkeit hartnäckig ignoriert hat. Alfred Margul-Sperber bezeichnete in den 1950er Jahren seinen Dichterfreund Alfred Kittner im Zusammenhang mit dessen Deportation nach Transnistrien mit Nachdruck als „deutschen Dichter aus der Bukowina", auch wenn er – wie Sperber selbst – Jude und rumänischer Staatsbürger, also nach heutigem Verständnis eher ein deutschsprachiger Dichter war.
BEATRICE UNGAR, aus der Hermannstädter Zeitung vom 30.07.2010