„Keine traurige Geschichte"
21. Mai 2010
Doppelte Buchvorstellung im Erasmus-Büchercafé
Es muss nicht immer ein Krimi sein. So begründet der Bochumer Schriftsteller Werner Schmitz die Herausgabe des Buches „Mit der Sonne steh´ ich auf". Der in den 1980-er Jahren mit seinen Kriminalromanen bekannt gewordene Schmitz hat gleich zwei Bücher über Siebenbürgen verfasst: den Kriminalroman „Das Karpaten-Projekt", das im Dortmunder Grafit-Verlag Anfang des Jahres erschien und „Mit der Sonne steh' ich auf", das die Lebensgeschichte von Sara Dootz, der Burghüterin aus Deutsch-Weißkirch, beschreibt. Beide Bücher wurden am Freitagabend im Erasmus-Büchercafé, in Hermannstadt vom Autor selbst vorgestellt.
Werner Schmitz, ein ehemaliger Kommunalbeamter, fand seine Arbeit im Tiefbauamt etwa so interessant „wie eine Rolle Stacheldraht". Also wechselte er den Job und arbeitete schließlich bis 2007 als Reporter im Inlandsressort des Stern. In diesen Jahren entstanden zahlreiche Reportagen, Porträts und Titelgeschichten.
„Ich bin schlecht im Erfinden", gibt Werner Schmitz mit einem Lächeln über sich selbst zu, nach dem Motto: „Was Du nicht erlebt hast, kommt auch nicht heraus aus Deinem Horn". Alles was er schreibt, muss bis ins kleinste Detail recherchiert werden. Als er für den Roman „Schreiber und der Wolf" zum ersten Mal nach Siebenbürgen kommt, um mit dem „Wolfsexperten" Christoph Promberger zu sprechen, weiß er sofort, hier gibt es Themen für einen weiteren Roman. Es sollte eine Fortsetzung geben, doch nicht etwa „Scheiber und der Bär", wie geplant, sondern „Das Karpaten-Projekt".
Der Krimi handelt von wilden Bären und korrupten Förstern in Rumänien. Auch hierfür recherchiert der Autor gründlich und meint „ich will wissen, wie tickt der Rumäne, der Sachse, der Roma". Auf dieser Reise durch Siebenbürgen lernt er Sara Dootz kennen, eine Siebenbürger Sächsin aus Deutsch-Weißkirch. Sie erzählen fünf Stunden lang in ihrem Hof vor der Sommerküche, da ist sich Schmitz sicher: Es ist schade, Sara nur als Nebengestalt in seinem Krimi zu verwenden. Er kommt zurück und nimmt Saras Lebensgeschichte auf Kasetten auf, die er Monate später niederschreibt.
„Es ist keine traurige Geschichte", so Schmitz, obwohl Zaurchen – wie Sara im Sächsischen genannt wird – kein leichtes Leben hat. Sie überlebt zwei Ehemänner und einen Weltkrieg, erlebt die Auswanderung all ihrer Nachbarn nach Deutschland, „trotzdem kann sie nichts umhauen".
„Mit der Sonne steh´ ich auf" ist wie ein vergrabener Schatz aus alten Zeiten. Ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand lassen kann, sobald man begonnen hat, es zu lesen. Sara erzählt in ihrem „sächsischen Hochdeutsch", in dem das Verb „gewinnen" Synonym für „(heraus)holen" ist, über alte siebenbürgisch-sächsische Bräuche. Alle Feste und Feiern kommen darin vor: Hochzeit, Beerdigung, Fasching u.a.
Sie beschreibt ein Leben, das heute kaum denkbar ist, ohne moderne Technologie, nur mit dem Nötigsten zum Überleben. Damals brauchte man nicht Vieles, um glücklich zu sein: „Ich frag mich, ob jetzt noch ein Kind so selig spielen kann. Einer Maisähre haben wir ein Tüchlein aufgetan und ein Zweites als Schürze aufgebunden. Fertig war die Puppe. (...) An der Wand spielten wir mit einem Ball. Wir hatten keinen Gummiball. Wenn die Väter die Ochsen striegelten, kamen doch Haare raus. (...) Man machte die Haare ein wenig nass, wie gefilzt, und machte einen Ball daraus. (...) Die Jungen gingen damit zum Schuster. (...) Dann machte einer von denen ein schwaches Leder aus Flicken über den Haarball."
„Es ist das erste Buch, das ein Nachwort von Prinz Charles enthält", sagt der Bochumer Autor stolz. Es ist ein Brief, den His Royal Highness an Saras Tochter, Caroline Fernolend geschrieben hatte. In dem Brief bedankt sich Prinz Charles, der selber ein Haus in Weißkirch besitzt, bei der Familie, die ihn „so gut betreut" hat und „besonders für das unermüdliche Bemühen" von Sara, Besucher willkommen zu heißen. Jährlich kommen Dank Sara Dootzs Führungen zur Kirchenburg tausende von Touristen aus aller Welt nach Weißkirch.
Hinten im Buch gibt es ein Glossar, das das siebenbürgische Deutsch erklärt, Wörter wie: Aufboden, Gegenmutter, Palukes oder gebockelt.
Die Geschichte endet mit einer Weisheit der 73-Jährigen, die typisch für deren Lebenseinstellung ist: „ich denk, der Baum, den der erste Sturm nicht umwirft, dessen Wurzeln packen tiefer und leisten Widerstand."
„Mit der Sonne steh´ ich auf" ist ein lesenwertes, spannendes Buch, ein Zeuge einer längst vergangenen und fast vergessenen Zeit.
Cynthia PINTER, Hermannstädter Zeitung vom 21.05.2010
Das Karpaten-Projekt von Werner Smitz, Grafit Verl., 2010, 259 Seiten; Taschenbuch