skip to content

Ein Lesebuch durch 300 Jahre siebenbürgische Geschichte

9. März 2010

In den Archiven Siebenbürgens verbergen sich wahre Schätze, Kuriositäten oder einfach inter­essante Dokumente der vergangenen Jahrhunderte. Zu Gesicht bekommen diese in der Regel nur die Archivare des Landesarchivs der evangelischen Kirche in Rumänien oder Forscher, die sich durch dieselbigen arbeiten. Eine Auswahl an pubikationswürdigem Material hat die Leitung des Landesarchivs im Dezember 2009 unter dem Titel „Goldkörner II. Historisches Lesebuch aus den Archiven der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien" veröffentlicht.

Die 81 zusammengestellten Dokumente sollen nach Angaben der Herausgeber Liliana Popa und Archivleiter Dr. Wolfram G. Theilemann die Mannigfaltigkeit, die thematische und sprachliche Vielfalt der Archivbestände deutlich machen. Wie schon im 2004 erschienenen Vorgängerband „Goldkörner" enthält das Buch „Fundstücke und Stolpersteine, die uns (den Herausgebern) während der archivischen Erschließung der inzwischen über 200 Kirchengemeinde- und Bezirksbestände in die Hände fielen".

...Die veröffentlichten Urkunden sind ganz unterschiedlicher Art. Faksimiliert oder in nachgedruckter Form findet der Leser kirchliche Unterlagen wie Predigten, Quittungen, Briefe und Anweisungen verschiedener Instanzen oder Visitationsberichte. Ein Bericht über sächsische Bräuche aus dem Jahr 1790, ein Brief an den Di­rektor des Hermannstädter Evangelischen Gym­nasiums oder ein Reisebericht geben Einblick in das (deutschsprachige) Alltagsleben Siebenbürgens. Militärisch-politische Ambitionen werden beispielsweise in einem 1731 in Hermannstadt verfassten Memorandum deutlich.

Die Herausgeber haben die meist kurzen, teilweise aber auch mehrere Seiten umfassenden Do­kumente in fünf Rubriken eingeteilt: Liebe Ordnung, halte sie, sie erspart dir viele Müh'!; Das Eigentum der Kirche an ihrem Kulturgut müsste festgehalten werden; Jeder Kirchendienst ist Liebesdienst, Liebe Gäste empfangen – Evangelische unterwegs; Ökumene sui generis. Das älteste Dokument ist ein Nachbarschaftsartikel aus dem Schenker Stuhl aus dem Jahr 1730, in dem Regularien und Pflichten der Nachbarschaftsmitglieder festgelegt sind. Ein Rundschrei­ben des Hermannstädter Bezirkskonsistoriums ist das jüngste der veröffentlichten Fundstücke. In ihm sollten dazumal die Vertretungsdienste in pfarrerlosen Gemeinden geregelt werden.

Die Herausgeber beließen die Dokumente weitgehend im Originalzustand. Schreibweisen wurden, wenn überhaupt, nur gelegentlich und behutsam transkribiert. Um die Archivalien rumänischen Lesern zugänglich zu machen, bekamen die deutschsprachigen Materialien rumänische Zusammenfassungen, analog wurde mit rumänischen Textteilen verfahren. Dazu werden wichtige Begriffe in Fußnoten erläutert.

Die Herausgeber liefern mit diesem Buch einen interessanten Einblick in 300 Jahre siebenbürgischer Geschichte. Der Fokus liegt, was angesichts der Herkunft der Dokumente nicht ver- ­wundert, auf sächsischen, vor allem kirchlichen Aspekten. Einige faksimilierte Materialien runden diesen historischen Spaziergang ab. Die handschriftlichen Briefe und alten Drucke lassen den Leser erahnen, welche Leistung hinter der Aufarbeitung der Archive steckt. In der Tat ist es Popa und Theilemann gelungen, aus den vorhandenen Fragmenten ein lesbares Buch zu formen, mit verschiedenenartigen, authentischen und mitunter zum Schmunzeln anregenden Texten.

Holger Wermke, Siebenbürgische Zeitung, 09.03.2010

weiterführende Links


Spuren, die vergehen »

« „Weltkulturerbe in Siebenbürgen"