Buch über die untertänigen Gemeinden auf Komitatsboden: "Ein härteres Los als die freien Brüder"
11. März 2016
aus der SBZ Online vom 28. Februar 2016
Im Schlusskapitel seines neuen Buches „Die untertänigen sächsischen Gemeinden auf Komitatsboden. Ein weniger bekanntes Kapitel der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte" bemerkt Dr. Michael Kroner, Ziel seiner Veröffentlichung sei „nicht mehr, als diese Wissenslücke zu beseitigen". Mit der Wissenslücke ist die Geschichte jener siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden auf ehemaligem Adelsboden gemeint, die etwa ein Drittel aller sächsischen Dörfer ausmachten. Der bekannte Historiker hat es sich hier zur Aufgabe gemacht, die zu dieser Thematik vereinzelt publizierten Beiträge für den „interessierten Nichtfachmann" zu einer Zusammenschau zu kompilieren, ergänzt mit einigen Neuheiten.
Als produktiver Historiograph hat der aus Weißkirch bei Schäßburg Gebürtige schon während seiner Zeit als Redakteur der Karpatenrundschau in Kronstadt unzählige Aufsätze, Rezensionen und auch mehrere Bücher zur Geschichte und Heimatkunde der Siebenbürger Sachsen verfasst. Einen besonderen Schwerpunkt hat Kroner von Anfang an auf die Geschichte der untertänigen Gemeinden auf Komitatsboden gelegt, wohl auch deshalb, weil sein Geburtsort zu diesen zählte. Ja, er macht sich zum historischen Fürsprecher dieser „stiefmütterlich behandelten" Fronbauern.
Der Großteil der sächsischen Untertanensiedlungen befand sich im Zwischenkokel- und im Zekesch-Gebiet, sowie im Reener Ländchen. In vielen unfreien Sachsendörfern der ehemaligen Kirchenkapitel Tekendorf und Großschogen ist im Laufe der Jahrhunderte das Sachsentum ebenso erloschen, wie gar zur Gänze im ländlichen Umfeld von Klausenburg, Thorenburg und Deesch (Burglos).
Den Einband schmückt das Foto der Zenderscher ...Den Einband schmückt das Foto der Zenderscher Kirchenburg. Foto: Ovidiu SopaDer Autor geht nach einer summarischen Einleitung zur Geschichte Siebenbürgens ausführlich auf den Entstehungsprozess sächsischer Siedlungen auf Komitatsboden, ihre Rechtslage und die Privilegien einiger Gemeinden ein. Nicht unerwähnt bleiben hierbei die grundherrschaftlichen Gemeinden in den „rein" sächsischen Kapiteln Magarei, Schelk und Kisd (Schäßburg), die sich als Enklaven innerhalb des Königsbodens befanden.
Eine Sonderstellung nahmen jene mehr oder minder halbfreien Gemeinden der ehemaligen Hermannstädter Propstei und der Kerzer Abtei ein. Kaum bekannt sein dürfte, dass die Schäßburger Bergkirche und die Mediascher Stadtpfarrkirche seit Mitte des 15. Jahrhunderts je eine Grundherrschaft im näheren Umland besaßen.
Ein eigenes Unterkapitel wurde u.a. dem Freibrief der Deutsch-Zeplinger zugestanden. Auch die Besitzungen der sächsischen Gräfen, wie etwa jener von Kelling, kommen in der kenntnisreichen Abhandlung nicht zu kurz. In einem zentralen Teil des Buches behandelt Kroner die Geschichte der so genannten Dreizehn Dörfer des Kokelgebietes, ihres unbeugsamen Kampfes gegen Adelswillkür und der tragischen Rolle Stephan Ludwig Roths in den Revolutions- bzw. Bürgerkriegswirren der 1848/1849er Jahre.
Ziemlich eingehend fällt die Beschreibung eines weithin kaum bekannten staatspolitischen Vorganges rund um die geplante Einrichtung einer Markgrafschaft Sachsen in Siebenbürgen aus, die ein eigenes Kronland der Habsburger Monarchie bilden sollte. Dass sich diese „Utopie" nicht realisieren ließ, lag nicht zuletzt an der praktischen Unmöglichkeit einer ethnischen Trennung, um nicht zu sagen „Säuberung". Gleichwohl unterstützt Kroner – Friedrich Teutsch zitierend („Das Siebenbürger Sachsenvolk wäre nicht deutsch geblieben, wäre es nicht evangelisch geworden") – die auf die damaligen historischen Umstände bezogene, heutzutage jedoch überholte Notwendigkeit einer „ethnischen und religiösen Abgrenzung gegenüber den andersvölkischen Mitbewohnern".
Anhand der breitangelegten Einzeluntersuchung seiner Heimatgemeinde Weißkirch als Besitz der berühmten Haller-Familie sowie ihrer vor dem Hintergrund der Amerika-Auswanderung sächsischen Wiederbesiedlung, nimmt der 81-jährige Autor ein in der jüngeren Geschichte Siebenbürgens einmaliges Geschehen in den Blick. Erwähnenswert ist auch ein kurzer kulturhistorischer Vergleich Königsboden – Komitatsboden bezüglich Brauchtum und Trachtenwesen.
In dem vorgelegten Band lässt der Verfasser einmal mehr Geschichte als Passion und die Leichtigkeit in der Beherrschung narrativer Textsorten erkennen. Geprägt, wie in einer Laudatio zu lesen war, vom „Geist" der Schäßburger Bergschule, die Wertvorstellungen wie Pflichtbewusstsein, Wahrhaftigkeit und Gemeinsinn vermittelt habe, geht es Michael Kroner auch hier um eine geschichtlich angemessene Betrachtungsweise der historischen Region Siebenbürgen, ohne dabei die Geschichte des Sachsenvolkes zu verklären.
Einer der Schlüsselsätze dieses wichtigen Sammelbandes lautet denn auch: „Man sollte daher nicht [...] immer wieder die Prioritätsfrage strapazieren und völkische Erstansprüche auf das Land geltend machen, sondern vielmehr nach den erbrachten Leistungen fragen."
Schade nur, dass auch auf einige Formmängel des mit einem ansprechenden, farbigen Einband versehenen Buches eingegangen werden muss. Außer einem fehlenden Ortsregister sind vor allem die mehr als zwei Dutzend Druckfehler zu beanstanden. Hinzu kommen einige wenige, unrichtige Bezeichnungen (Unter- statt Nieder-Eidisch, Wigand Wagner statt Wigant Weltzer u.a.). Bei drei der acht Karten kommt der Leser nur unter Zuhilfenahme einer Lupe einigermaßen zurecht. Dem Buch ist, wohl unter Zeitdruck, offensichtlich kein hinreichendes Lektorat angediehen worden. Dessen ungeachtet wird dieser wichtige Sammelband zweifelsohne eine verdiente Lesergemeinde finden.
Walter Schuller
Michael Kroner: „Die untertänigen sächsischen Gemeinden auf Komitatsboden. Ein weniger bekanntes Kapitel der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte", Schiller-Verlag, Hermannstadt, 2015, 167 Seiten, zahlreiche Farb- und Schwarz-Weiß-Fotos; gebundene Ausgabe, 13,90 Euro, ISBN 978-3-944529-63-9, zu bestellen im deutschen Buchhandel oder beim Schiller Verlag, deutsche Festnetznummer: (0228) 90919557, Internet: www.schiller.ro.
Schlagwörter: Rezension, Geschichte