Ein Kalender zum Freuen und Denken
4. April 2017
„Die schönste Schale ersetzt nicht den Kern," schreibt Fritz Balthes in sein Tagebuch, nun zitiert im „Siebenbürgischen Kalender 2018", herausgegeben von Patrimonium Saxonicum – Stiftung zur Erhaltung des sächsischen Kulturerbes in Siebenbürgen. Die „schöne Schale" aber kann zum Nachdenken über den Kern wesentlich beitragen. Das trifft für diese jüngste Ausgabe des traditionsreichen Wandkalenders aus dem Architekturbüro Fabini zu. Schlicht in Form und Bindung, qualitätsvoll im Farbdruck, hervorragend im Inhalt, so präsentiert sich der beliebte Jahresbegleiter, der mehr als nur ein Zeitmesser ist. Die großen Schmuckbilder der zwölf Monatsblätter sind abwechslungsreich: Fotografien von Kirchgebäuden und -räumen, Details aus dem Kircheninneren, ein Waldstück, eine Altartafel und immer wieder die liebliche Siebenbürgische Hügellandschaft mit darin eingebetteten Kirchenburgen. Auf den Kalendariumsseiten, die auch Raum für Notizen bieten, sind zusätzlich kleinformatig je drei oder vier Bilder zu sehen, die passende Ergänzungen zum großen Bild bringen: zu Außenaufnahmen den Blick zum Altar, zu Innenaufnahmen einen Blick aus dem Kirchhof und zusätzlich – und das ist auch etwas Besonderes im Kalender 2018 – Skizzen von Fritz Balthes. Der Schäßburger Architekt Fitz Balthes (1882-1914) hinterließ trotz kurzer Schaffensperiode viele beeindruckende Bauten, („Die Baukunst soll das Praktische veredeln!"), aber nur einige Schriften und Pläne liegen im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien auf. Umso kostbarer sind die wenigen erhaltenen Briefe und Tagebuchaufzeichnungen aus privatem Besitz, die nun, gut hundert Jahre nach dem Tode Balthes', von Architekt Dr. Hermann Fabini aufgearbeitet werden. Der Kalender bietet Kostproben von den mit leichter und sicherer Hand angefertigten Zeichnungen des siebenbürgischen Architekten sowie sorgfältig ausgesuchte Zitate aus dem handschriftlichen Nachlass. Die heutige Leserschaft darf eintauchen in die Gedankenwelt eines kreativen und sensiblen Menschen, der von der hiesigen Landschaft geprägt ist. Nicht alle Zitate erschließen sich aufs Erste, aber das macht den Lesegenuss nur noch größer. Balthes' Überlegungen sind poetisch, philosophisch, fragen nach Glaube und Wissenschaft, ja, nach dem Sinn des Lebens selbst. Auch die anderen, aus elf weiteren Quellen stammenden, den einzelnen Kalenderblättern mitgegebenen Zitate verlangen es den Lesenden ab, den gesellschaftlichen Kontext der jeweiligen Aussagen mitzuberücksichtigen, um so die Kurztexte von L. J. Marienburg, Charles Boner, Christian Morgenstern, Juliana Fabritius-Dancu, Gernot Nussbächer, Jakob Aurelius Müller und anderen mit der eigenen Gegenwart in Bezug zu setzen.
Die Aussage von Fritz Balthes, „Jedes Erzeugnis menschlicher Tätigkeit kann, im engen oder im weiten Bereich, zum Kunstwerk werden, (...)" trifft auf den Siebenbürgischen Kalender 2018 zu. Er ist Bildkalender und Buch in einem, wunderbar zum Verschenken geeignet, aber auch zum selbst Behalten, als Grund zur Freude und Anlass zum Denken.
Gerhild Rudolf, 4. 04. 2017
Siebenbürgischer Kalender 2018
Herausgeber: Patrimonium Saxonicum, Hermannstadt 2017
Autor: Arch. Dr. Hermann Fabini
Gedruckt bei Honterus, Hermannstadt 2017