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Wurmberger Künstler Peter Jacobi stellt seinen neuen Bildband vor

23. Oktober 2017

Die Idee des Gedenkens, das Beschäftigen mit dem Krieg und seinen Folgen durchzieht das Werk des Bildhauers und Malers Peter Jacobi der vergangenen Jahrzehnte. Unter anderem in Skulpturen wie dem Holocaustdenkmal in Bukarest oder dem „World War II Memorial" vor der Pforzheimer Stadtkirche. Das Gedenken ist auch die zentrale Idee hinter seinem nun erschienenen Buch.

Es ist eng verwoben mit Jacobis eigener Biografie. Mit seiner Kindheit in einem Land, das immer wieder umkämpftes Durchzugsgebiet von Völkern und Volkssplittern war, samt der damit verbundenen Brutalität. Und es ist eine Art Testament eines 82-Jährigen, der gerade dabei ist, seinen Nachlass zu ordnen.

Peter Jacobi denkt nach. Von seiner Werkstatt am Rande Wurmbergs aus blickt er an diesem sonnigen Herbsttag ins Grüne in Richtung Neubärental, die Obstbäume werfen lange Schatten. Er erinnert sich an seine Kindheit im ländlichen Siebenbürgen, an noch weitgehend intakte, funktionierende Ortschaften. „Ich habe das Leben im Dorf auch während des Krieges erlebt", sagt Jacobi.

Das Leben der Siebenbürger Sachsen ist geprägt von Verfolgung und Emigration, auch im vergangenen Jahrhundert: Nach den Enteignungen und Deportationen nach dem Zweiten Weltkrieg folgten die Rückkehr und das Leben als nationale Minderheit im kommunistischen Rumänien. Schließlich wanderten viele in den 1970er-Jahren und vor allem nach der politischen Wende in Rumänien nach der Ceaușescu-Diktatur ab 1990 in die Bundesrepublik aus.

Peter Jacobi hatte all das kommen sehen. „Ich wusste, dass ich damit nicht zurechtkommen würde", erinnert er sich. So kam er 1970 im Alter von 35 Jahren nach Deutschland. „Siebenbürgen – Bilder einer Reise II" ist Teil einer großen Aufarbeitung, die schon vor zehn Jahren mit einem ersten Band begann. An dem zweieinhalb Kilo schweren Buch hat Jacobi vier Jahre lang gearbeitet. Es enthält 632 sorgfältig ausgewählte Fotografien, entstanden zwischen 2004 und 2017. Jacobi besuchte mehr als 200 Ortschaften in Rumänien und dokumentierte den – häufig beklagenswerten – Zustand siebenbürgischer Kirchenensembles.

Dörfer wie das mehrfach zerstörte Tartlau, in dem Jacobi einen Teil seiner Kindheit verbrachte, dienen als Beispiel dafür, wie Menschen, die einst von Rhein, Mosel, Lothringen und dem Elsass ausgewandert waren, ihre neue Heimat zu einem hohen Preis verteidigen mussten. „Es waren Verzweiflung und Todesangst, die sie zu ihren unglaublichen Bauleistungen antrieben", schreibt Jacobi im Vorwort. Und: „Es ist ein Wunder, dass diese Ensembles noch existieren, so oft, wie sie angegriffen und verwüstet worden sind."
Blick eines Bildhauers

„Wehr- und Kirchenburgen. Stillleben nach dem Exodus" lautet der Untertitel des Bands. Doch im Gegensatz zum ersten Buch enthält das neue Werk auch Fotos von ungewöhnlichen Räumen und Raumausschnitten. Sie atmen die Atmosphäre vergangener, bewegter Zeiten.

Das Buch zeigt nicht nur Mauerwerke, Burgbasteien und Ruinen, sondern auch Dachböden und verstaubte Bücherhaufen. Mit dem Blick des Bildhauers und dem Interesse am Formalen stellt Jacobi Bezüge her zu cineastischen Szenen sowie zur alten und modernen Kunst. Fotografien steinerner Uhrgewichte erinnern an die Malerei von Giorgio de Chirico, Verdeckungen wecken Assoziationen mit Joseph Beuys.

Auf gegenüberliegenden Seiten werden Zusammenhänge geschaffen – etwa auf den Seiten 48 und 49, die die immer noch starke Präsenz von Büffeln in der siebenbürgischen Landschaft aufzeigen. Teils stehen historische Aufnahmen den aktuellen Fotos gegenüber. So sind zu Herzen gehende Porträts von Menschen und Landschaften entstanden.

Jacobi nutzt dabei die Stimmungen des verfügbaren natürlichen Lichts und verzichtet auf Inszenierung. Zubetonierte Grabstätten, einsame Friedhöfe, verlassene Gemeinderäume und leerstehende Häuser faszinieren den Leser aber auch im ästhetischen Sinne. Angetrieben von seiner Neugier und Bewegtheit, schärft der Künstler den Blick für eine historische Landschaft im Karpatenbecken, über hierzulande wenig bekannt ist. Die Texte verschiedener Autoren, etwa über die Siebenbürger Sachsen, helfen beim Einordnen.

Durch das Buch vor zehn Jahren wollte Jacobi den Verfall dokumentieren und aufrütteln. Das aktuelle Werk zeigt, dass ihm das gelungen ist. Landsleute hätten vor Ort Gelder zusammengetragen und zerstörte Kirchen saniert, sagt Jacobi. Immer wieder sind intakt gebliebene oder mühevoll restaurierte, wiederbelebte geschichtliche Zeugnisse abgebildet – zum Beispiel kostbare Orgeln.

„Das Buch ist eine Klage, durch diese positiven Beispiele aber gleichzeitig ein Aufruf zur Courage", betont Jacobi. Auch wenn gewiss nicht alle Kirchen zu retten seien, er hoffe sehr, „dass die rumänische Gesellschaft dieses auf ihrem Gebiet befindliche Erbe auch als das Ihre ansehen und zu seinem Erhalt beitragen wird".

Michael Müller, Pforzheimer Zeitung vom 22-10-17

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