Spiegelbild und schwarzer Spuk
Gesammelte und neue Gedichte
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Kategorie: Bücher
Seiten / Format: 287 S
Erscheinungsjahr: 2016
Verlag: Hanser
Sprache: Deutsch
ISBN: 9783446203495
Auflage / Bände: 4. Aufl.
"Kaustischer Witz, Spukbilder der Albernheit: Die Gedichte des Pianisten Alfred Brendel."Andreas Dorschel, Süddeutsche Zeitung, 15.01.04<br><br>"Sprach-Capriccios in einer perfekt scheinlogischen Lakonik."Gerhard. R. Koch, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.01.04<br><br>"Der Autodidakt zündet ein Feuerwerk an skurrilen Absonderlichkeiten, denen eines gemeinsam ist: Sie treffen immer ins Schwarze."Hilmar Bahr, Frankfurter Neue Presse, 05.02.04<br><br>"Kein Zweifel, der Pianist Brendel hat nicht nur Töne, sondern auch Sprache und vor allem Humor. Manchmal beisst dieser hinterlistig, wie Emil, wenn er hungrig die Zähne ins Dichtermark schlägt. Manchmal lächelt er auch nur verschlagen engelhaft und teuflisch."Der Bund, 17.04.04<br />Der Pianist als Dichter: Mit seinen komischen und grotesken Versen baut Alfred Brendel eine luftige Brücke zwischen Sinn und Unsinn. So wird bei ihm Beethoven (der, was auch ziemlich unbekannt ist, ein Neger war) als Mörder von Mozart entlarvt oder die bewegende Frage erörtert, was geschah, als Brahms sich in den Finger geschnitten hatte. In Brendels Gedichten - von denen sämtliche in diesem Band versammelt sind - kommt alles und jeder zur Sprache, sogar ein Speckschwein, das am Telefon grunzend seine Lebensgeschichte erzählt.Engel und Teufel I<br />Im Paradies angekommen<br />fragen wir uns<br />skeptisch bis zum letzten<br />Was geht hier eigentlich vor<br />Taube dürfen hier Musik hören<br />Musiker müssen aufspielen<br />Stumme haben sprechen gelernt<br />Redende beginnen zu lallen<br />Die Lahmen laufen wie die Wiesel<br />wenn sie nicht in der Luft herumfliegen<br />Wir Machtlosen<br />bleiben machtlos<br />etwas elegisch<br />geben wir uns damit zufrieden<br />sehen zu wie Häßliche schön werden<br />Engel<br />mit geschwärzten Flügeln<br />vom Himmel fallen<br />und die Schlange am Baum<br />uns entgegenzüngelt<br />Aus den Schlupflöchern des Himmels kriechen sie<br />noch leicht benommen<br />stoßen vogelblind<br />an Fensterscheiben<br />umflattern<br />golden rötlich oder nachtblau<br />das Klavier<br />fressen die Fliegen<br />und betten sich<br />schön wie Päonien<br />auf unseren Kissen zur Ruhe<br />zitternd vor Kälte<br />mit den Flügeln das Haupt bedeckend<br />Daß es Teufel<br />im Grunde gar nicht gibt<br />hat uns kürzlich<br />der Leibhaftige selbst verraten<br />Wir haben dies<br />betrübt zur Kenntnis genommen<br />und beschlossen<br />in Zukunft<br />uns selbst an die Wand zu malen<br />[ ... ]<br />Götter und Monstren<br />Ode<br />Großmächtiger Initiator<br />alter Kriegstreiber<br />Füllhorn der Güte und des Glücks<br />Obermonster<br />Himmelspenis kosmische Gebärmutter<br />kleinster gemeinsamer Nenner<br />Auge das alles sieht und nichts wahrnimmt<br />Du entziehst Dich<br />glänzt durch Abwesenheit<br />Music Minus One<br />Tonart ohne Grundton<br />Variationen ohne Thema<br />Salz ohne Suppe<br />Maul ohne Zunge<br />Doch fürchte nichts<br />wir bleiben loyal<br />blicken auf zu Dir<br />unserer Schöpfung<br />als seist Du oben<br />schmähen nur Dich allein<br />unser letales Ozonloch<br />unser persönliches maßgeschneidertes Chaos<br />das Flattern eines Schmetterlings im Urwald<br />[ ... ]<br />Buddhas und Weihnachtsmänner<br />Der sanfte Buddha<br />in seinem Fett ruhend<br />triefend manchmal<br />bei heißem Wetter<br />in Zufriedenheit erstarrt<br />was geschah<br />daß er plötzlich aufsprang<br />vor Wut brüllend<br />hüpfend<br />auf einem Bein<br />bevor er zu Boden fiel<br />aufklatschend<br />mit seinen tausend heilbringenden Armen rudernd<br />bis sie sich heillos verfingen<br />ein Zornknäuel<br />hilflos auf dem Rücken zappelnd<br />Die einen wissen was geschah<br />ein Schlangenbiß in den Fuß<br />die anderen wissen es besser<br />auf einer Hornisse<br />sei ein Gesäß<br />zum Sitzen gekommen<br />In Wahrheit<br />hielt er den Frieden nicht mehr aus<br />Heiligsein ist anstrengend<br />Nun liegt er da<br />und seine Schüler<br />entfernen den Schaum von seinem Mund<br />entwirren<br />voller Entsetzen<br />seine ineinander verschlungenen Arme<br />und warten darauf<br />daß der heilige Zorn verraucht<br />das Mondgesicht sich glättet<br />der Göttliche wieder so dasitzt<br />wie man es von ihm erwarten darf<br />schweigend<br />die Hände gefaltet<br />die Augen halb geschlossen<br />unverrückbar<br />1DEAlfred Brendel, 1931 in Wiesenberg/Nordmähren geboren, weltweit geschätzter Pianist, gilt als einer der bedeutendsten Interpreten klassisch-romantischer Musik des 20. Jahrhunderts. Als Schriftsteller ist er mit Essays und Gedichten hervorgetreten. Er ist u.a. Ehrendoktor der Universitäten von London, Oxford und Yale und lebt in London.Luis Murschetz, geboren 1936 in Velenje (Wöllan), wuchs in Frohnleiten, Steiermark, auf. Nach dem Grafik- und Designstudium in Graz folgten Lehrjahre in Rotterdam. 1967 erschienen seine ersten politischen Karikaturen in der Süddeutschen Zeitung und seit 1971 in der ZEIT, wo er das Amt des Zeichners von Paul Flora übernahm. Murschetz leitete zwischen 1983 und 1995 wiederholt die Klasse Illustration an der Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst in Salzburg. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 1997 mit dem Olaf Gulbransson Preis. Murschetz lebt in München.
Oskar Pastior, 1927 in Hermannstadt / Rumänien geboren, ging 1969 nach Berlin. Im Jahr 2000 wurde Oskar Pastior mit dem Walter-Hasenclever-Preis und 2006 mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet. Die Werkausgabe bei Hanser wurde 2003 begonnen. Pastior starb 2006.
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