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Von Menschen und Tieren in Siebenbürgen. Erinnerungen eines Tierarztes

Von Menschen und Tieren in Siebenbürgen. Erinnerungen eines Tierarztes von Adrian Brandl, Iacob Ciuceanu

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Kategorie: Bücher
Seiten / Format: 428 S.; Gebunden
Erscheinungsjahr: 2012
Verlag: Verlag Gilde & Köster
Sprache: Deutsch
ISBN: 9783000384356
Auflage / Bände: Erste Auflage

Adrian Brandl schreibt über seinen Vater, den Tierarzt Iacob Ciuceanu, der die meiste Zeit im Kreis Hermannstadt tätig war. Während dieser Zeit wurde er nicht nur von Rumänen, sondern auch von Sachsen hoch geschätzt. Ciuceanu wurde in Ra?inari als Sohn des dortigen Bürgermeisters im Jahre 1914 geboren. Brandl beschreibt das typische rumänische Dorfleben, das sich grundlegend von dem eines sächsischen Dorfes unterscheidet. Von Interesse, vor allem für Nicht-Siebenbürger, ist das Kapitel „Etwas Geschichte", in dem Brandl auch auf die Geschicke der Siebenbürger Sachsen eingeht.
Das Gymnasium begann Iacob in Târgu Mures, wechselte dann ans Gheorghe-Lazar-Lyzeum in Hermannstadt. Interessant ist der Hinweis, dass es zwischen den rumänischen Gymnasien und der Brukenthalschule auch zu seiner Zeit keine besonderen Kontakte, keine Freundschaften, aber auch keine Feindschaften gab. Man lebte „in zwei parallelen Gesellschaften". Das Studium der Veterinärmedizin absolvierte Ciuceanu in Bukarest. Während seines Studiums hatte er die Möglichkeit an einer aufsehenerregenden Reise nach Ägypten teilzunehmen, die ihn sehr beeindruckte. Einen tiefgreifenden Eindruck hinterließ sein Aufenthalt an der Tierärztlichen Fakultät in Berlin. Dort waren die rumänischen Studenten von den umfangreichen Kenntnissen, der Disziplin und Korrektheit der Professoren sehr beeindruckt. Nach der Rückkehr beendete Ciuceanu sein Studium und verteidigte seine Dissertation. Kurz darauf wurde der junge Doktor der Veterinärmedizin zum Militärdienst einberufen, den er als Offiziersanwärter beendete.

Seine Laufbahn als Tierarzt begann Ciuceanu in der Moldau. Dann kam er für kurze Zeit nach Klausenburg, bis wegen der Entscheidung des Zweiten Wiener Schiedsspruches der Norden Siebenbürgens Ungarn zugeschlagen wurde. Sein Institut musste nach Hermannstadt umziehen. Schließlich bat er darum, eine tierärztliche Praxis zugewiesen zu bekommen. Er landete in Freck, wo er bis zum Sommer 1942 tätig war.

Ciuceanu wurde zum Militär als Pferdetierarzt eingezogen und gelangte im Krieg in die Ukraine. Im Mai 1943 erreichte er wieder sein Heimatdorf, von wo er nach Freck weiterfuhr und dort seine Tätigkeit fortsetzte. Seine Praxis wurde kurz darauf nach Talmesch verlegt. Dort arbeitete er knapp ein Jahr, bis er wieder einrücken musste. Nach einem schweren Anfall von Ischias wurde er nach Herkulesbad zur Rehabilitation geschickt, dann musste er nach Foc?ani zurück an die Front. Nach dem 23. August 1944 sollten die rumänischen Truppen am Kampf gegen Deutschland teilnehmen. Die Truppe in Foc?ani begann sich aufzulösen. Ciuceanu entschloss sich nach Siebenbürgen zurückzukehren. Auf abenteuerlichen Wegen kam er in Hermannstadt an und nahm in Talmesch wieder seine Arbeit auf. Im November bekam er erneut den Einberufungsbefehl und wurde Militärtierarzt in Hermannstadt. Im Januar 1945 erlebte Ciuceanu den Einmarsch der Russen in Siebenbürgen und die Deportation der Sachsen und Banater Schwaben nach Russland. Im Mai 1945 begann er wieder in Talmesch zu praktizieren. Dort arbeitete er bis Oktober, als er zum Kreistierarzt von Hermannstadt ernannt wurde. Im Juli 1946 heiratete er die Sächsin Erna, eine Tochter von Viktor Fleischer aus der Sporergasse in Hermannstadt. Viktor Fleischer war Inhaber eines Lederwarengeschäftes am Großen Ring.

Die kommunistische Diktatur erlebte Ciuceanu hautnah. Grund und Boden der Sachsen und Banater Schwaben wurden enteignet, die Häuser wurden ihnen weggenommen. Dann wurden alle Industriebetriebe, schließlich auch alle Kleinbetriebe verstaatlicht. Die Häuser seiner Schwiegereltern und das Lederwarengeschäft seines Schwiegervaters waren davon betroffen. Mitte der 50er Jahre bildeten sich die Kommunisten ein, dass alle Menschen, die früher wohlhabend waren, irgendwo Gold versteckt haben. Unschuldige Leute wurden verhaftet und gefoltert. Ciuceanu erlebte die Zwangskollektivierung. Einigen sächsischen Familien, die den Grund und ihre Höfe verloren hatten, konnte er helfen, indem er ihnen ermöglichte, zumindest eine Kuh behalten zu dürfen. Für kurze Zeit wurde Ciuceanu vom Landwirtschaftsministerium zum Leiter der Mediascher Ackerbauschule ernannt. In Mediasch wurden ihm von den lokalen Behörden aber derartige Hindernisse in den Weg gelegt, dass er auf der Stelle kündigte und wieder nach Hermannstadt zurückkehrte.

Kurze Zeit danach wurde Ciuceanu in Bukarest ein Schauprozess gemacht. Er wurde beschuldigt, infizierte Lebensmittel für den allgemeinen Verzehr freigegeben zu haben. Es gelang ihm, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen und er musste entlassen werden. Vier Wochen später wurde er doch zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Begründung: Während des Prozesses zu seiner Entlastung sei westliche dekadente Fachliteratur zitiert worden. Trotz Verurteilung wurde er vorläufig in Freiheit belassen. Bei der Berufung konnte der Rechtsanwalt, der Ciuceanu vertrat, auch aus einem sowjetischen Buch zitieren, so dass erneut seine Unschuld bewiesen werden konnte und einem Freispruch nichts im Weg stand.

Ciuceanu arbeitete weiter am Tierärztlichen Spital in Hermannstadt. Er wurde viel in die Umgebung von Hermannstadt gerufen und konnte vielen Tierbesitzern, Rumänen und Sachsen aus der Stadt und vom Land, helfen. Auch nach seiner Pensionierung 1974 blieb Ciuceanu seinen Patienten treu. Er gab noch im hohen Alter Studenten der Veterinärmedizin Erfahrungen weiter. Einige, die bei ihm lernten, schrieben ihre Erinnerungen auf. Berichte dieser Zeitzeugen sind im Buch wiedergegeben. Eine Menge teils amüsanter Geschichten über Tierbesitzer und ihre Tiere sind in der zweiten Hälfte des Werkes enthalten. Das Buch dürfte vor allem für Tierärzte von Interesse sein, aber auch für all jene, die an der Geschichte Siebenbürgens, dem Schicksal seiner Bewohner in der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg interessiert sind.

Horst Erich König