Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges von Jörg Olbrich
Historischer Roman
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Kategorie: Bücher
Seiten / Format: 468 S
Erscheinungsjahr: 2017
Verlag: Acabus
Sprache: Deutsch
ISBN: 9783862825288
Auflage / Bände: Originalausgabe
Leseprobe aus Kapitel 1Die Eindringlinge rückten noch enger zusammen. Alle wollten wissen, was die Statthalter nun zu ihrer Verteidigung vorbringen würden. Trotz seiner Schwäche war auch Philipp gespannt, ob es ihnen gelang, sich aus dieser bescheidenen Lage herauszuwinden. Von den Wachen der Burg war sicherlich keine Hilfezu erwarten. Die Männer waren entweder von den Rebellen überwältigt worden oder geflohen.»Wir sind dem Kaiser mit schwerem Eid verpflichtet und verbunden«, antwortete Martinitz sichtlich um Fassung bemüht. Weil er von seinen Widersachern an beiden Armen festgehalten wurde, war er kaum in der Lage sich zu rühren. »Wir dürfen nichts offenbaren, was die Statthalter im Namen des Königs in ihrem Kreis beraten.«»Ihr irrt, wenn Ihr glaubt, dass wir unverrichteter Dinge wieder abziehen werden«, sagte von Thurn mit energischer Stimme. »Wir verlangen hier und heute eine Antwort. Gebt Ihr diese nicht, wird das von den protestantischen Ständen als Schuldeingeständnis gewertet werden.«»Ich muss energisch protestieren und kann guten Gewissens sagen, dass wir weder zu diesem, dem Majestätsbrief zuwider laufenden Schreiben geraten, noch davon gewusst haben.«Philipp sah Ladislaus von Sternberg überrascht an. Der stand zittrig zwischen den Rebellen und hielt den Gehstock, den er benötigte seit er vor zwei Jahren vom Pferd gefallen war und sich das Bein verdreht hatte, krampfhaft fest. Normalerweise wählte der Mann den Weg des geringsten Widerstandes. Sein Protest passte nicht zu dem Verhalten,das Philipp sonst von ihm kannte.Der Sekretär betete, dass die adeligen Herren nun schnell zu einer Endscheidung kommen würden. Ihm selbst fiel es immer schwerer, sich auf den Beinen zu halten, obwohl auch er nach wie vor von zwei Männern gepackt wurde. Er hatte das Gefühl, dass der Lärm in derBurg sein Fieber noch steigerte und seinen Kopf früher oder später zum Bersten bringen würde.»Herr Burggraf«, sprach von Thurn von Sternberg direkt an. »Wir wissen wohl, dass Ihr und Diepold von Lobkowitz fromme Herren seid und den protestantischen Ständen nicht schaden wolltet. Herr Slavataund Herr Martinitz sind die Feinde unserer Religion und wollen uns um den Majestätsbrief bringen.«»Das ist eine Lüge«, protestierte Martinitz und versuchte, auf seinen Widersacher zuzugehen. Daran wurde er aber von den anderen Männern gehindert.»Dann stimmt es nicht, dass Ihr beide schon beider Sitzung des Landtages nicht anwesend wart, bei dem der Majestätsbrief entlassen wurde, und Ihr seitdem alles darauf verwendet, das Dokument außer Kraft zu setzen?«Weder Martinitz noch Slavata antworteten auf diese Anschuldigungen. Philipp wusste nur zu gut, dass beide Statthalter immer wieder nach Möglichkeiten gesucht hatten, gegen die Protestanten vorzugehen. Er hatte dies selbst dokumentiert. Den Männern war es ein Dorn im Auge, dass der protestantische Teil der Bevölkerung in Prag immer mehr zunahm.Die Tatsache, dass von Thurn gnädig mit von Sternberg und von Lobkowitz umging,ließ den Sekretär hoffen, ebenfalls aus dem Gebäude herauszukommen, ohne Schaden zu nehmen.In den nächsten Minuten wurden weitere Vorwürfe vorgebracht. Martinitz und Slavata versuchten vergeblich, sich zu verteidigen, gerieten aber immer mehr in die Zwickmühle. Weil mehrere Männer durcheinandersprachen und seine Kopfschmerzen immer unerträglicher wurden, konnte Philipp den Worten nicht mehr folgen. Er spürte, dass er dieser Tortur nicht mehr lange standhalten konnte. Wie auch immer die Entscheidung über seine Zukunft ausfallen mochte, er betete, dass diese rasch getroffen würde. Falls es tatsächlich Gottes Wille war, den jungen Sekretär mit gerade einmal zwanzig Jahren zu sich zu holen, sollte er ihm die Gnade eines schnellen Todes gewähren.Plötzlich verschaffte sich Graf von Thurn mit lauter Stimme Gehör und riss damit auch Philipp aus seiner Lethargie. »Die Herren vonSternberg und von Lobkowitz sollen nun die Burg verlassen. Ihnen wird nichts geschehen. Keiner von uns wirdWie durch ein Wunderüberlebt der Sekretär Philipp Fabricius zusammen mit zwei Statthaltern den gewaltsamen Fenstersturz aus der Prager Burg. Philipp macht sich schwer verletzt auf den Weg nach Wien, um den Kaiser über die protestantischen Aufstände zu informieren. Mit Hilfe der schönen Magdalena erreicht seine Botschaft die Residenzstadt, doch die Lage zwischen Katholiken und Protestanten spitzt sich weiter zu und Philipp gerät ins Visier der gegnerischen Parteien. Der Krieg lässt sich nicht mehr aufhalten ...Währenddessen tritt in Pilsen der Schmied Hermann den kaiserlichen Truppen bei. Als Söldner in Tillys Armee begeht und erleidet er die Schrecken des Krieges. Die Chronik eines jungen Schreibers in Wien dokumentiert die Gräuel. Verwüstung, Hungersnöte, Armut und Pest kosteten zwischen 1618 und 1648 rund sechs Millionen Menschen das Leben. Der Auftakt der sechsteiligen Romanreihe"Geschichten des Dreißigjährigen Krieges"überzeugt mit historischen Fakten und einer spannungsgeladenen Entwicklung.3PLJörg Olbrich, Jahrgang 1970, lebt in Mittelhessen. Das Heimatdorf des Autors, das zwischen Wetzlar und Braunfels liegt, wurde während des Dreißigjährigen Krieges von spanischen Truppen verwüstet. Die Spanier wollten die Kirchenglocke einschmelzen, um Waffen herzustellen. Die Dorfbewohner versteckten die Glocke jedoch, woraufhin die feindlichen Truppen das Dorf niederbrannten. Nach der Veröffentlichung seiner ersten Kurzgeschichte 2003 folgten Beiträge in Anthologien. Die Kurzgeschichte Herz aus Stein wurde 2008 in der Kategorie"Beste deutschsprachige Kurzgeschichte"mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet. 2010 belegte sein Roman Das Erbe des Antipatros dort in der Kategorie"Bestes Romandebüt, national"den 3. Platz.
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