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Gesprächsbedarf von Jean-Paul Barbe, Lew Hohmann
Erinnerungen an Antje Vollmer

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Kategorie: Bücher
Seiten / Format: 64 S
Erscheinungsjahr: 2024
Verlag: edition bodoni
Sprache: Deutsch
ISBN: 9783947913466

Dieses Büchlein versammelt in Erinnerung an Antje Vollmer unveröffentlichte Texte. Vor einem Jahr am 15. März ist Antje Vollmer verstorben. Das Gespräch mit ihr geht weiter. Seit dem Jahr 1990 verband uns eine intensive Freundschaft. Der Zeitpunkt, als das Land, in dem ich geboren bin, aufhörte zu existieren und ein Interpretationswettstreit über die Wahrheit in der Geschichte begann, der seinesgleichen suchte, an diesem Zeitpunkt sind wir uns das erste Mal bewusst begegnet. Sie kam aus dem reichen Land, das seine Widersprüche mit Konsum und Aufmerksamkeitsverschmutzung klein und handhabbar hielt. Ich kam aus dem anderen Teil Deutschlands, wo uns wenig abzuhalten vermochte, an der Realität zu zweifeln. Wir hatten versucht, die unerträglichen Verhältnisse der späten DDR zu ändern, und waren letztlich gescheitert. Die alte Bundesrepublik begann uns zu verschlingen, gierig, um den eigenen Schwächen und Krisen entkommen zu können. Die beiden Staaten, aus denen wir kamen, begannen sich zu verändern. Die einen merkten es schmerzhaft, die anderen merkten es kaum. In diesem Prozess, der mehr oder weniger treuhänderisch vonstattenging und unsere Erfahrungenaus dem Osten für nichtigerklärte, waren Gespräche, die nicht auf das Rechthaben aus waren, Seltenheit. In der offiziellen Politik bemühte man sich, reale Geschichte ins Nichts aufzulösen, so wie man Häuser, Straßennamen und Denkmäler aus dem öffentlichen Raum verbannte. Es war schwer, eine andere Geschichte zu erzählen als die in Fernsehsendern, Zeitungen und auf Parteitagen. Alles war ins Wanken geraten. Antje Vollmer interessiertesich immer für die Erfahrungen der Verlierer. So kamen wir wahrscheinlich zusammen. Denn die Berichte der Gescheiterten verbergen eine Wahrheit, die vital werden kann in Krisen und Umbrüchen, die keinen Platz findet in den Narrativen der Sieger, weil sie nur ihren eigenen Triumph als Realität akzeptieren. Das Interesse von Antje Vollmer an den Erfahrungen, die wir Ostdeutschen einzubringen imstande waren, bildete eine rühmliche Ausnahme im allgemeinen Diskursklima, wo es nur Zutritt gab für unseresgleichen, wenn wir zuvor den Schwur geleistet hatten, dass unsere Vergangenheit in einem Unrechtsregimelag.Antje Vollmer suchte das Gespräch und konnte zuhören. An diesem Zeitpunkt begann unsere Freundschaft. Wir diskutierten politische Ereignisse, trafen uns mit Freunden, lernten einander zuzuhören. Wir haben gemeinsam an zwei Büchern gearbeitet über zwei Filmregisseure aus Ost und West: RainerWerner Fassbinder und Konrad Wolf. Es interessierte uns, wie Realität in Geschichtsschreibung oder der Kunst verborgen liegt. Was vermögen uns die Filme Fassbinders über seine Gesellschaft zu berichten? Was vermag das Oeuvre Konrad Wolfs über die kommunistische Utopie zu erzählen, über ihrScheitern, ihre Fehler. Wir versuchten, an fremden Themen unsere eigenen Erfahrungen zu schärfen. Die Bücher liegen nun lange in den Regalen. Sie sind selber Geschichte. Dass nicht einmal die Akademie der Künste eine Lesung veranstaltet hatte, bei der wir unser Buch über den ehemaligen Präsidentender Akademie der Künste der DDR, Konrad Wolf, vorstellen konnten, spricht für sich. Auch heute ist das Interesse an der Geschichte marginal und im besten Falle nur dann zu gebrauchen, wenn es sich für politische Zwecke instrumentalisieren lässt. Aber unsere Bücher gibt es und es gibt auch Wunder, wie es im Schlager heißt, und zwar immer wieder. Jean-Paul Barbe, emeritierter Professor der Germanistik an der Universität von Nantes und Kulturwissenschaftler, Übersetzer und Autor, entdeckte unser Buch"Hinter den Bildern die Welt - Die untergegangene Bundesrepublik in den Filmen von Rainer Werner Fassbinder"- und schrieb Deutschland im Spätherbst - Eine Nachtragsrezension. Diese Rezension, nach dem Tod von Antje Vollmer geschrieben, nimmt unser Buch als etwas Verborgenes wahr und bemerkt vor allem: das Dialogische, das Gespräch, den Briefwechsel als eigentlichen Kern unserer Freundschaft. DDieses Büchlein versammelt in Erinnerung an die Politikerin, Pazifistin und Freundin Antje Vollmer unveröffentlichte Texte, um das Gespräch mit ihr, um den Dialog, den sie als höchste Kunstform feierte, nicht abbrechen zu lassen in diesen kriegerischen Zeiten.2DE

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