skip to content

Industriegeschichte in Siebenbürgen

17. Juni 2013

Bereits die Einleitung löst ein Wechselbad der Gefühle aus. Liest man im Volker Wollmanns zweitem Band „Patrimoniu preindustrial şi ­industrial in Romania" [Vorindustrielle und industrielle Denkmäler in Rumänien], welche wertvollen (Industrie-)Denkmäler seit dem Erscheinen des ersten Bandes vor nicht einmal zwei Jahren verschwunden oder weiter verfallen sind, so stimmt einen dies traurig - und zornig ob der Nachlässigkeit. Erfreut liest man dann allerdings, dass in letzter Zeit einige Initiativen zum Erhalt dieser Denkmäler der Industriegeschichte entstanden sind. Neben den in diesem Bereich tätigen Museen haben auch Universitäten und Verbände (z.B. der Architekten) das Thema für sich erkannt bzw. werden zunehmend aktiv. Umso begrüßenswerter ist das Beharren des Autors Volker Wollmann, sein Projekt einer Dokumentation der Industriedenkmäler in Rumänien konsequent fortzusetzen und kurz nach dem ersten Band den zweiten vorzulegen. Dieser soll nachfolgend vorgestellt werden, wobei der Schwerpunkt auf den Bezügen zu Siebenbürgen und den Siebenbürger Sachsen gelegt wird.

Die Dokumentation beginnt mit der Vorstellung der Denkmäler von Industriebetrieben, die Holz als Rohstoff nutzen. Dazu gehören Betriebe der Forstwirtschaft und Holzverarbeitung, der Zellulose- und Papierherstellung. Damit eng verbunden ist die Flößerei, welche die gefällten Baumstämme aus den Bergen und Wäldern zu den Verladestellen und Verarbeitungsbetrieben gebracht hat, ebenso wie der Holztransport mit (Wald-)Eisenbahnen, das Sägen des Holzrohstoffs sowie die Bearbeitung des Rundholzes. Ausführlich vorgestellt werden technische Denkmäler zur Verarbeitung des Holzes. Dies gilt auch für die Papier- und Zelluloseindustrie, die grafische Industrie und Druckereien. In diesem Wirtschaftsbereich gab es mehrere sächsische Unternehmen, beispielsweise die Papierfabrik Carl und Samuel Schiel in Buşteni. Insgesamt zeigen die mehr als 130 Seiten zu diesem Kapitel, dass der Wald- und damit Holzreichtum der Karpaten ein wesentlicher Auslöser für die Entwicklung der Holzverarbeitung im weitesten Sinne des Wortes war – und zwar an allen Abhängen der Karpaten.Glasfabrik mit Erdgasbetrieb in Mediasch ...Glasfabrik mit Erdgasbetrieb in Mediasch Im zweiten Kapitel stellt Wollmann die Denkmäler der Baustoff-Industrie vor und gliedert diese in: Steinbrüche, Kalkherstellung, Zementproduktion, Keramikindustrie (einschließlich Ziegeleien, Porzellan, Töpfereien). In diesem Bereich tätige siebenbürgisch-sächsische Unternehmen sind die Kronstädter Portlandzement Kugler & Cie Aktiengesellschaft (später Temelia) und die Ziegelfabrik Brüder Letz in Schäßburg. Das nächste Kapitel hat die Glasindustrie und die von ihr hinterlassenen technischen Denkmäler zum Thema. Zu diesen gehört die Erste Glasfabrik mit Erdgasbetrieb in Mediasch.

Der Textilherstellung – von der Hausweberei bis zur industriellen Fertigung – ist das vierte Kapitel gewidmet. In diesem Wirtschaftssegment waren eine Vielzahl siebenbürgisch-sächsischer Betriebe tätig, einige seien aufgezählt: in Kronstadt die Tuchfabriken Wilhelm Scherg und Wilhelm Tellmann & Comp, in Zeiden die Weberei Georg Mieskes, in Schäßburg die Baumwollweberei Wilhelm Löw sowie die Wollweberei Zimmermann und in Mediasch die Tuchfabrik Wilhelm Stürzer & Söhne. Überdies dokumentiert der Autor die in Heltau noch erhalten gebliebenen Betriebsgebäude der Textilindustrie, zu denen Billes & Herbert, Herbert, Roth & Cie (später Paun Pinciu), Karl Sill Tuch- und Deckenfabrik (später Dacia) gehören.
Aus Mühlbach wird die erste Fabrik vorgestellt, in der Damenstrümpfe aus Kunstseide erzeugt wurden und deren Gründer Gustav Bahner Lichtenstein war. Eine damit verwandte Branche ist die Lederverarbeitung, diese wird im fünften Kapitel dokumentiert. Als sächsischer Betrieb sei Samuel Karres Lederfabriks A. G. (Gerberei und Treibriemenfabrik; siehe Bild oben) in Mediasch genannt. Die umfangreiche Bibliografie ist ein Beleg für die fundierten Studien, die dieser Dokumentation zugrunde liegen. Das den Band abschließende Ortsverzeichnis ist gerade für Heimatkundler eine wichtige Hilfe, da es einen schnellen Zugriff auf beispielsweise für Ortsmonographien wichtige Informationen ermöglicht. Wünschenswert wäre, dass in dem letzten Band dieser wichtigen Reihe ein bändeübergreifendes Ortsverzeichnis aufgenommen wird. Besondere Beachtung verdienen die ausdrucksstarken Fotos, die anschaulichen Skizzen und Karten sowie die sonstigen Abbildungen. Man darf auf den dritten Band gespannt sein!

uk

aus der Siebenbürgischen Zeitung vom 25.9.12

Volker Wollmann: „Patrimoniu preindustrial şi industrial in Romania" [Vorindustrielle und industrielle Denkmäler in Rumänien], Band II; Sibiu/Hermannstadt: Honterus Verlag, 2011, 390 Seiten, ISBN 978-973-1725-79-6

weiterführende Links


Zsolt-Georg Böhms "Mein Wunder von Bern" »

« Blind verliebt in ein Land der Kontraste